Hallo, schön das du wieder dabei bist und immer wieder mal hier auftauchst. Oh, die Geschichte wird lang, ich hoffe, du hast Zeit mitgebracht. Ich verspreche den ein oder anderen Schmunzler, fühlbare Schmerzen und ein wenig Horror.
Für diesen Teil muss ich wohl etwas weiter ausholen. Los geht's.
 
Seit einiger Zeit interessiere ich mich für den Jakobsweg. Satte 500 Stunden Fußmarsch durch das Heimatland, Frankreich und Spanien. Selbstverständlich habe ich mir auch den Film von HaPe Kerkeling angeschaut in dem er seinen Trip dorthin verarbeitet. Ich muss sagen, es hat Spaß gemacht den zu schauen und am Ende hatte selbst icke ne kleene Träne zu verdrücken, da ich weiß wie es ist, wenn man nach scheinbar endlosem Marsch mit schmerzenden Knochen an seinem Ziel ankommt und wie in dem Fall eine schmucke Urkunde bekommt oder sich in unseren Fällen meisstens nen Stempel ins Stempelheft drücken kann.
 
Irgendwie - ich weiß nicht warum bin ich von dem wieder etwas abgekommen und landete irgendwann beim Fernwanderweg der Freundschaft - Eisenach nach Budapest. Eeeeaaasyyyy ..... 174 Stunden und nur 850km. Ja von wegen, dat ist Luftlinie. Der Fernwanderweg führt durch Thüringen und Sachsen über Tschechien, die Slowakei nach Ungarn. Nein, nicht Österreich, denn es ist ein sozialistischer Fernwanderweg. Ick lach mich schlapp gerade. Egal. Der Fernwanderweg EB3 hat eine Länge von 2690km. Schön von hinten durchs Knie in n Kopp. Hier hab ich mal ein paar Infos für den geneigten Leser zusammen fassen lassen: Fernwanderpedia. Ich hab nach Videos gesucht und habe eines gefunden, in dem ein Päärchen diesen Weg in 4 Monaten läuft. Von der Umgebung her echt fantastisch was die zwei da so zeigen und auch bei den beiden am Ende - Tränen. Krass.
 
Ich am Montag bei uns in die Firma zur Buchhaltung rein und gefrat wie es aussieht im kommenden Jahr bräuchte ich 4 Monate Urlaub. Die Firma in der ich arbeite is cool, da ist viel möglich und so weiter. Bei der Frage schauten mich dann aber zwei Augenpaare an als hätten sie nen Geist gesehen. Beide brachen in schallendes Gelächter aus und einer zeigte auf die Tür. Jut - die Frage nach bezahltem Urlaub stellte ich dann erst mal hinten an für später.
 
Mein Kumpel Lars war der Idee nicht abgeneigt und so hielten wir eine Woche später beide unsere neuen Stempelhefte in den Händen. Der Plan war dann für Mitte Juni ab Eisenach nach Oberhof zu wandern. Eine gute Strecke für geplante drei Tage. Wasser, Zelt, Schlafsack .. ick hatte noch gar nix dergleichen. Jedenfalls nicht um dem Thema Gewicht sparen gerecht zu werden. Mein Zelt was ich habe ist Spass für die ganze Familie mit unzähligen Kilos, mein Schlafsack ist - wie soll ich sagen - nicht der neueste und wiegt somit auch ein wenig. An Essen wollte ich gar nicht denken und wie ich Wasser für drei Tage mitschleppen sollte ... es zerrann alles ... der Traum zerfloss bevor er los ging.
Aber uns zwei Blitzbirnen kam eine neue Idee. Wir testen das ganze am ollen Harz aus. Gleiche Zeit, anderer Ort. Ich also los und einen großen Online-Versandhändler strapaziert. Zelt für eine Person, Schlafsack so leicht wie möglich. Eh da kommt eins zum anderen und man is n halbes Haus los. Kurz vor dem Datum hieß es Essen packen. Mein durchschnittlicher Kalorienbedarf liegt ungefähr bei dem vom Dwayne "The Rock" Johnson, nur das ich einer sogenannten Telearbeit nach gehe und mein Bewegungsdrang derzeit bei dem einer toten Maus ist. Ich schiebe alles auf Corona - Fitnesscenter durfte man ja bisher nicht.
 
Essen und Klamotten waren dann auch irgendwann ordentlich in meinem Bundeswehrrucksack verstaut.Da Lars einen Wasserfilter mitnahm und es unterwegs genug Bäche und sowas mit weniger Wasser gab laut Karte, fülte ich nur meine 2 Liter Wasserblase. Stop - falsch. Mein Rucksack war durch mich gepackt - fertig - abreisebereit. Meine gute Frau war unsicher oder unterlag dort einem Kontrollzwang oder fand es einfach nur lustig - schnappte sich meinen prall gefüllten und gut sortierten Rucksack und stellte den kurzerhand auf den Kopf. Jetzt war ich an der Reihe und mir entglitten kurz die Gesichtszüge. Ein Heulkrampf bahnte sich an und ich war kurz davor in der Fötusstellung in mich rein zu greinen.
Nach einer Stunde war der Rucksack erneut fertig gepackt, wog gute 15 Kilogramm und wurde beiseite gestelt. Der Freitag an dem wir los wollten konnte kommen.
 
Der Freitag war ran und ich wie verabredet pünktlichst um 9 Uhr bei Lars vor der Tür. Grinsend wie immer kam er runter, wir luden sein Zeug ein und fuhren zum Bahnhof. Um 9:38 Uhr fuhr unser Zug nach Goslar mit einem Umstieg in Magdeburg. Geplante Ankunft 12:53 Uhr. Ich hatte Lars sein GPS Gerät mit auf welches ich ein paar Karten spielen sollte, aber das Teil verband sich nicht mal mit meinem Rechner. Jetzt wollte ich es ihm wieder geben und er meint er brauch das für den Trip jetzt nicht und ick kann die 300 Gramm ruhig erst mal behalten. Hallo ? Ich stand hier am Bahnhof schon im Schweiße meines Angesichts und war froh um jedes Gramm das ich oder mein Rucksack verlor und jetzt .... najut .... ihr kriegt mich nicht klein, ihr zwei nicht. Lars - ich hab der Gerät noch immer falls du das hier liest.
 
Wir hatten Glück und belegten gleich mal nen Vierer-Platz. Unsere Rucksäcke passten nicht in die Ablagen über den Sitzen. Während der Fahr kreisten die Gedanken viel über vergangene Touren in den Harz und natürlich auch die jetzige. Langelsheim war das erste Ziel und dann sollte es über Wolfshagen weiter in Richtung HWN 102 Lageswarte gehen.
Wie viele andere saßen wir hier, den Mundschutz im Gesicht und atmeten gekonnt durch den Stoff. Nach mittlerweile 4 Monaten hatte so ziemlich jeder geniug von diesem Corona Virus.
Uns gegenüber setzt sich ein Vater mit seinem Sohnemann hin. Der Junge durfte mit dem Handy seines Papis spielen und das machte er toll. Ich war müde und wollte wenigstens noch ein wenig schlafen oder nur die Augen ausruhen, was mir aber verweigert wurde. Das Handy schepperte während der kleine da ganz versonnen spielte. ich weiß nicht was er spielte und ob oder wie oft er das Spiel wechselte, aber ich bekam kein Auge zu. Lars war schon am grinsen und wartete wohl nur darauf, das ich etwas sagte. Nach einer guten halben Stunde stand ich dann doch auf und fragte ober villeicht das Handy etwas leider machen könne, ich kenne jetzt jegliche Melodie die das Gerät kann. Etwas unwirsch wurde es prompt etwas leiser und ich konnte meinen Kopf scheppernd an das Fenster der fahrenden Bahn lehnen und die Fahrt genießen..
 
In Magdeburg der Umstieg war einfach, der in Goslar in den Bus, der uns nach Langelsheim bringen sollte eher nicht. Wat ein Bahnhof. Wir zogen unsere Bustickets und gingen auf den Bussteig von wo unsere Reise weiter gehen sollte. Der Bus kam relativ schnell und die Türen gingen vorne auf. Ein Jugendlicher vorne weg und zeigte dem bestens gelaunten Busfahrer ein abgelaufenes Ticket. Neuer Anlauf. Der Busfahrer schon ungehaltener "Das is ja auch noch mehrfach entwertet. Raus, du kannst hier aussteigen." Da wir wussten das es hier keine Ansagen oder Anzeigen gab was die nächste Haltestelle ist waren wir gezungen den Busfahrer darauf anzusprechen. Der hatte aber schon das Gesicht leicht zur Faust geballt. Da ich ganz vorne saß, nahm ich meinen ganzen Mut zusammen und fragte in meiner höflichsten Form ob er uns vielleicht sagen könnte wo wir in Wolfshagen aussteigen könnten um möglichst nah an der Wandernadel auszusteigen. Wir hatten keinen Plan, welche Haltestelle da wohl am nächsten war. Er fragte nur "Wo denn da ? Wolfshagen 1 oder 2 oder 3 oder 4 ?" Ick fragte mich kurz ob gleich irgendwo n Licht angeht wenn ick richtig stehe. Ziemlich gleichzeitig sagten Lars und ick einfach "Zwei." um weiterer Kommunikation aus dem Weg zu gehen. Er meinte noch "Is aber nicht so toll mit m Bus zu einer Wandernadel zu fahren wa". Wir haben so herzlich zusammen gelacht, glaubt uns kein Mensch. Nein haben wir nicht wirklich. Wir waren froh, das wir endlich da waren.
 
In Wolfshagen stiegen wir dann aus und begaben uns erst einmal zur Touristeninformation. Ich kaufte mir einen neuen Stockpin und jetzt konnte es von mir aus los gehen. Voller Spannung und Vorfreude wartete ich auf Lars, der noch im Laden war. Kann man irgendwie Ironisch schreiben ? Egal. Wir zogen los zur ersten Nadel - der HWN 190 Heimberg. 
Den Heimberg hoch wurde es für mich schon das erste mal spaßig. Nicht das ich nur den Rucksack von 15kg auf dem Rücken hatte, musste ich mich ja auch noch da hoch hieven und ich bin beiweitem kein Leichtgewicht mit guten 100kg.
Der Berg hatte 12% Steigung und es waren wohlige 31 Grad. Es gab nichts besseres. Oben war dann gleich erst mal Pause für mich um wieder kontrolliert Luft in den Lungenapparat zu bekommen. In den Steinen hier waren Fußabdrücke und Spuren von Trekkerreifen. Auf einem Stein stand "Spur der Steine" und ich musste sofort an Manfred Krug denken den alten "Auf Achse" - Haudegen. Das waren noch Filme und Serien, ick mochte ihn.
Ein Stück weiter bergauf kamen wir dann zur HWN 109 und drückten uns den ersten Stempel. Das ging schnell - also im Rahmen meiner Möglichkeiten jedenfalls. Das Gute was dazu kam - ich hatte nach diesen knappen 2 Kilometern bereits 5kg durch ausgeschwitztes Wasser verloren und mein Rucksack wurde leichter, da ich nur an dem Schlach hing, der mich mit mit Magnesium versetztem Wasser versorgte um Krämpfen möglichst vorzubeugen. Toi Toi Toi, bisher hatte ich noch nie Krämpfe bei unseren Wanderungen. Ich durfte sowas mal bei Lars erleben. Seinem Gesicht nach zu urteilen war das nicht lustig. Ick will sowas nicht. Danke.
 
Noch knapp 2km ging es durch den Wald, dann brachen wir durch das Unterholz wieder in die Zivilisation. Wir mussten quer durch den Ort Wolfshagen. In Wanderausrüstung. Wanderschuhe auf'm Asphalt is total unbequem wie ich finde. Die Gelenke werden gestaucht und alles fängt viel früher an weh zu tun. Wir kamen an einem Bäcker vorbei, der sich "Brötchenschmiede" nannte. Ein cooler Name wie ich fand. Etwas dahinter trafen wir auf einen Nahkauf und Lars sprang rein und besorgte uns 2 Radler. Ick setze meinen Rucksack ab und passe draußen auf unser Zeug auf. Das Radler ist lecker, aber nur ein Tropfen auf den heißen Stein wie man so schön sagt. Die Leute gucken uns an, als wären wir vom anderen Stern und ich möchte uns gern Ötzi und Alm-Öhi nennen. Das Bier ist alle, die Leute verschwunden und wir sammeln unsere Sachen zusammen und ziehen weiter. Die ersten 200 Meter geht es zwar in die falsche Richtung, aber das passiert und ist nicht weiter schlimm bei nunmehr 33 Grad im Schatten. Das bisschen Bier prickelt wohlig in der Birne und wir gehen weiter den vorgezeichneten Weg durch die Stadt. Ich bin begeistert und habe mein Handy in der Hand um nicht ein einziges Foto zu schiessen.
Die Häuser ziehen sich jetzt mehr und mehr zurück und machen Pferdekoppeln platz. Denen geht es gut hier den Pferden. Mit ihren großen Augen schauen sie uns hinterher und fressen gemütlich oder gehen zu der Tränke die mit 50 Millionen Liter eiskaltem Wasser gefüllt ist. Ich wünsche mir so langsam wieder Wald herbei, docher vorerst .... nö .... Acker, Koppeln und weites Land. Das einzige gute hier war, das wir kaum Höhnemeter machten. Nicht nach oben und auch nicht nach unten.
Nach einer Reise von knapp 6km durften wir wieder in ein kleines Stück Wald und ich war froh etwas Schatten zu haben. Der goldene Planet drückte nämlich ganz ordentlich auf meine Fleischmütze.
 
Lange blieben wir nicht im Wald und kamen an eine Hauptstraße. L5irgendwas glaube ich. Genau an der InnersteTalsperre kamen wir raus. Ich suchte mir einen kleinen schattigen Platz und Lars entdeckte einen Eiswagen.
Mir war zwar gar nicht danach, freute mich dann aber doch, als er mit zwei Eiskaffee mit Sahne und Schokostreuseln wieder kam. Wir machten noch einige Fotos von beiden Seiten des Dammes und beobachteten die Badenden da unten.
Eiskaffee alle schauten wir auf unsere WanderApp und überlegten, das die nächste Nadel und damit unser Platz zum Zlten auf dem Berg vor uns liegen mussten. Weiter ging es. Quer über den Staudamm. Ärgerlich war wie so oft, das Hundebesitzer es nicht gebacken bekommen das Endprodukt der Hundeverdauung zu entsorgen. Überall lag gebackene Hundekacke. Es war allgemein viel los. Fußgänger, Radfahrer, Badegäste, E-Rad fahrer, Jogger und so weiter.
 
Unser Weg führt uns weiter zum Ziel zwischen dem See der Talsperre und dem Berg Steileliet. Hier ist nichts aufregendes weiter. Auch hier eine asphaltierte Straße bis kurz vor "der dicken Eiche". Ich weiß nicht, warum der Baum hie so beschriftet ist und auch Lars ist der Meinung schon deutlich dickere Eichen gesehen zu haben. Im Netz findet man alle möglichen Eichen im Harz, aber keine "Dicke Eiche" bzw. keine Beschreibung zu der hier.
 
So, vorbei an der dicken Gestalt der Flora geht es so ziemlich ab hier kontinuierlich mit 9% Steigung bergauf bis zu unserem Lager.
Einmal werden wir noch von einem Päärchen auf E-Rädern überholt die an uns vorbei knallen als gäbe es kein morgen, ansonsten treffen wir niemanden mehr. Janz allein mitten im Wald. Was ich dem Päärchen hinterher brummte behalte ich für mich, aber mit nem bekloppten E-Rad n Berg hoch prügeln - DAS KANN JA WOHL JEDER. Ick steckte meinen Wanderstock bockig nur tiefer in den Sand und marschierte weiter dem Lars hinterher,
Dieser Berg wollte kein Ende nehmen. Langsam kamen Gefühle in mir auf, wie ich sie damals hatte. Der rechte Fussfing an bei jedem Tritt zu zicken und die linke Hüfte murmelte auch mehr schlecht als recht in Ihrer Pfanne herum. Meinen Sauerstoffvorrat musste ich jetzt fast alle 100 Meter auffrischen und mein Puls schlug mit Freuden mehr und mehr an die 180 BpM Glocke. Sobald der wieder runter war, ging es weiter. 
Es war Lars, der mich immer wieder zum weitergehen ermunterte. Sprüche wie "Wenn du hier umkippst, roll ick dich in n Graben" spenden Kraft und machen Mut. Ich hab ihn leider nie eingeholt und wenn, hätte mir die Puste gefhlt um ihm zu sagen das ich ihn auch lieb habe.
 
Irgendwann war es jedenfalls soweit und ich schmiss einfach alles von mir und setzte mich an den Wegesrand. Nichts ging mehr. Mein Zucker schlug Purzelbäume in der Blutbahn und mittlerweile hatte ich das erste mal Krämpfe. Meine rechte Wade machte Bewegungen die ich nie für Möglich gehalten hätte, meine Hüfte war glaube ich durchgescheuert und drückte auf die unterste Rippe und unter meinem Fuss hatte sich eine prächtige Blase gebildet. Kommt mir jetzt nicht mit "Ja, du hast ja die falschen Schuhe" oder so Kram. Die Schuhe hab ich von Anfang an an bei unseren Wanderungen. Die haben schon Stellen gesehen ... da findet niemand den Möchtegern-Freund meiner Tochter. Völlig im Arsch lehnte ich mich an den Rucksack und Lars kam mit einer fantastischen Idee um die Ecke. Er sagte "Eh Ingo, ick lauf mal vor und schau wo das ist. Kann ja nicht mehr weit sein." Ick konnte nicht widersprechen, nickte und war plötzlich allein auf weiter Flur. Neben mir summten die Hummeln und quietschend rieben sich die Bäume aneinander. Mein Körper eines griechischen Gottes erholte sich langsam und nach einer Stunde schrieb ich Lars ne SMS, er soll zurück kommen, wir gehen einfach weiter und jut.
War Buddha eigentlich Grieche ? Egal.
Lars kam zurück und erzählte wie fantastisch er sich verlaufen hat. Ick hatte nicht mal mehr die Kraft zum heulen. Er wollte sich meinen Rucksack auch noch schnappen damit wir weiter konnten, was ich aber vehement verweigerte. Is meiner, den trag icke. Einen Fuß vor den anderen ging es weitere 400 oder 500 Meter weiter und wir kamen an den sogenannten "Vereinsplatz" mit zwei Bänken und einer Bärenstatue aus Holz. Aber kein Mülleimer. Schade.
Unverzüglich zückte ich meine Speiseutensilien und machte mir auf dem Brenner eine schöne Tüte Reis mit Gemüse warm. Schmeckte lecker - wenn man auf eingeschlafene Füsse steht. Also noch nen halben Brühwürfel mit ran und es war geschmacklich wenigstens ne 4 statt ne 1 und optisch war's ne 8 sag ich mal.
Lars und ick hatten beide das gleiche Zelt gekauft und keiner wollte anfangen aufzubauen um zu sehen wo die Knackpunkte waren. Irgendwann fing ich dann an, weil ich mich eigentlich nur noch lang machen wollte und baute nach und nach das Zelt auf. So wie Lars mir bei meinem half, half ich ihm dann bei seinem und ruck zuck standen die Dinger. Isomatte rein, Schlafsack und mal ordentlich ausgestreckt. Jeder der ähnliche Touren macht wie wir kennt dieses Glücksgefühl, wenn die Knochen knacken und der Körper dir sagt "Dagegen is n Orgasmus n shice."
 
Lars und ick quatschten noch eine ganze weile, doch irgendwann zogen wir die Zipper unserer Zelte zu und gingen pennen.
Mir ging noch so viel durch den Kopf - hauptsächlich die Hitze des Tages aber auch der Gedanke, das wir hier mit unseren Mini-Zelten in den Spuren der Forstfahrzeuge campierten und uns in den großen Dingern keiner sieht.
Lars meldete sich noch einmal zu Wort und fragte ob ich das Viehzeug auch höre aber außer dem Vogel der die ganze Zeit in tiefster Tonart sein "Muuu-barak" ausstoßend über unsere Zelte flog, hörte ich nichts. Lars fragte noch ein zweites mal ohne das er Erfolg hatte. Beide lauschten wir gespannt in die Wildnis. Hätte ja auch Michael Myers sein können oder Freddy. Nach 10 Minuten Horchkonzentration stellte Lars fest, das es sein Magen war und legte sich schlafen. Toll. Ick seh Freddy vor meinem inneren Auge und überlege wie es ist, wenn jetzt eine Gruppe Wildschweine über und durch unsere Zelte gallopiert. Merken die uns überhaupt oder findet uns Jahre später ein(e) einsame(r) Wandersmann/-frau oder Wandersdivers.
Letztlich wollte sich mein Puls nach 30 Minuten noch immer nicht beruhigen und ick lag mit 122 Puls und einem miesen Zuckerwert in meinem Schlafsack. War das das Ende unserer Tour ? Mit Lars war bereits abggesprochen, das ich morgen abbreche wenn es nicht besser wird. Noch allerdings wollte ich mich nicht geschlagen geben und legte den Kopf auf den Rucksack um ein wenig zu schlafen.
 
Nachts halb drei - ick musste fürchterlich brunzen - schälte ich mich aus meinem Schlafsack, stieg in meine Schuhe und klappte die klamme Zeltwand hoch. Es war nicht kalt und die Luft war klar und sauber. Es war absolut still hier oben. Die Nacht war nicht sehr dunkel und man konnte weit sehen. In den Sternen im Himmel suchte ich nach meinem Sternzeichen, fand es aber nicht, da ich nicht wusste wie es aussieht und freute mich dann darüber, einen der Wagen gefunden zu haben. Früher kannte ich den Unterschied zwischen kleinem und großem Wagen. Heute ... ich müsste raten.
Erleichtert ging ich zurück und in mein Zelt. Wohlig kuschelte ich mich in meinen Schlafsack und schloss die Augen. Blöd, wenn man seinen eigenen Puls hört, der immernoch rast und man weiß, das hier was nicht in Ordnung ist.
Lars einen Meter weiter verjagte zum Glück alles gefährliche und schlief den Schlaf der Gerechten. Jut so. Ich drehte mich um und schlief irgendwann wieder ein.
 
Am Morgen gegen halb fünf war ich wach und auch Lars stiefelte schon draußen rum. Ich setzte mich auf und spürte sofort, das hier und heute nichts mehr gehen würde. Die Hände zitterten und mein Kopf war wie in Watte gepackt.
In anbetracht des vorausgesagften Wetters und meiner Verfassung sagte ich Lars, das ich hier aufhöre und kehrt mache. Ick kenn den Typen einfach zu lange und weiß genau was in ihm vorging. Es kotzte mich an unsere Pläne hier in den Sand zu setzen. Und ich wollte großspurig den EB3 laufen. Ich konnte mich selbst nicht leiden gerade.
Letztlich rief ich zu Hause an und meine Frau machte sich sofort auf den Weg um uns abzuholen. Danke an dieser Stelle auch dafür.
Problematisch war, das wir gut acht Kilometer zurück mussten. Die Temperatur lag jetzt bereits über 20 Grad, die Rucksäcke waren nicht wirklich leichter und unser Wasser ging rapide zu ende.
 
Nachdem wir hier alles gepackt hatten, schauten wir uns noch mal um, um zu prüfen, das wir nichts hinterlassen haben und gingen langsam den Weg den wir gekommen waren zurück.
Zu meinem Glück ging es fast nur bergab. Wir schnatterten über dies und das und gelangten langsam zurück zur Talsperre. An einer Bank machten wir eine Rast und Lars ging Wasser filtern. Zusammen aßen wir eine Kleinigkeit und weiter ging es den letzten Kilometer bis zum vereinbarten Abholpunkt.
 
Hatte ich erwähnt, das Lars und ich  beschlossen hatten, Blasen die ordentlich groß sind "Erika" zu nennen ? Also schon großen - fast eigenständigen Lebensformen sozusagen.
Lars hatte seine schon am letzten Wochenende fotografisch festgehalten. Ich merkte gerade zwei davon. Jeweils am rechten und am linken Fuß. Den ganzen einen Kilometer betete ich, das keine der beiden jetzt aufgeht. Wie sowas aussieht habe ich hier (Spoiler: ekelig) mal festgehalten. 
Zum Ende hin wurde es etwas wortkarger und wir hingen glaube ich beide unseren eigenen Gedanken etwas nach. Am Ende des Dammes setzten wir uns ins Gras und warteten auf unser Taxi.
Das Taxi meldete sich dann auch und meinte, es komme nicht zu uns, da dort eine Baustelle ist wo es stand und es ginge nicht weiter. Was hieß das jetzt für uns ? Knochen zusammen sammeln, den streikenden Kadaver noch mal motivieren und zurück über den Damm runter zum Parkplatz wo das Auto stand. Ich ließ mich auf den Beifahrersitz fallen und zog die Botten aus. Würzig - aber nicht penetrant dachte ich und freute mich auf die Heimreise.
 
Tja Leute .... das waren drei geplante Tage wovon nur einer statt fand. Mir wurde aufgezeigt, das ich nach 3 Monaten Corona HomeOffice echt wieder an meiner Fitness schrauben muss. Die Kur anfang des Jahres war spitze und hat mir viel geholfen, aber mein innerer Schweinehund hier ist dieses mal wohl mehr als nur n Shi-Tzu.
 
Leider ne Geschichte ohne Happy End. Ich hoffe, ich konnte euch trotzdem etwas abholen und mitnehmen. Erfreut euch unserer Bilder.
 
Ich verbleibe,
 
euer Silvio
 

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